Fragen
- 1.Wo werden GenesungsbegleiterInnen und AlltagsbegleiterInnen beschäftigt?
- 2. Sind Genesungsbegleiter eine Konkurrenz für Fachleute wie Sozialarbeiter?
- 3. Sind AlltagsbegleiterInnen eine Konkurrenz für Sozialarbeiter oder Pflegekräfte?
- 4. Was passiert, wenn ein Genesungsbegleiter selbst in eine Krise kommt?
- 5. Sind Genesungsbegleiter Anti-Psychiatrie oder Anti-Medikamente?
- 6. Sind Genesungsbegleiter nicht nur billiger Ersatz für Pflegekräfte oder Sozialarbeiter?
- 7. Was sind die Kompetenzen von Genesungsbegleitern und worauf sind diese maßgeblich zurückzuführen?
- 8. Was ist der Unterschied zwischen einem psychiatrieerfahrenen Patienten und einem Genesungsbegleiter?
- 9. Wie kann Genesungsbegleitung finanziert werden?
- 10. Welche Vorteile hat Genesungsbegleitung?
- 11. Welche Vorteile hat Alltagsbegleitung?
- 12. Wer kann Genesungsbegleitung in Anspruch nehmen?
- 13. Wann kann Alltagsbegleitung in Anspruch genommen werden?
- 14. Wo finde ich Studien über die Wirksamkeit des Einsatzes von Genesungsbegleitern?
- 15. Wo finde ich Erfahrungsberichte von Klienten und Organisationen, die Genesungsbegleiter beschäftigen?
- 16. Wie wird der Einsatz von Genesungsbegleitern hinsichtlich seiner Wirksamkeit vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse bewertet?
- 17. Welche Erfahrungen haben Organisationen, die Genesungsbegleiter beschäftigen, bisher gemacht?
- 18. Welche Erfahrungen haben Klienten mit Genesungsbegleitern gemacht?
Da Genesungsbegleiter auch Mitarbeiter in Psychiatrien sein können, kann man nicht sagen, dass sie anti-psychiatrisch eingestellt sind. Aus der eigenen Betroffenheit heraus können sie aber viele Gepflogenheiten in der Psychiatrie kritisch betrachten. Sie stellen häufig in ihrer Arbeit die Freiwilligkeit der psychiatrischen Dienstleistungen und die Förderung der Selbstbestimmung in den Vordergrund.
- Sie sind zertifizierte Experten aus Erfahrung in der Bewältigung von seelischen Krankheiten und Krisen
- Sie bieten Austausch und Begleitung auf Augenhöhe
- Sie haben ihre Erfahrungen reflektiert und sich in der Ausbildung Handwerkszeug erarbeitet, um andere in ähnlichen Situationen begleiten zu können
- Sie sind in vielen verschiedenen Krankheitsbildern erfahren (Depressionen, Burnout, Sucht, Angst, Persönlichkeitsstörungen, Trauma, Bipolare Störungen, Psychosen etc.)
- Sie sind Hoffnungsträger, weil sie ein lebendiges Beispiel für Genesung geben
- Sie können einen anderen Zugang zu Menschen in psychischen Krisen finden, sie können Übersetzungshilfen leisten und genießen möglicherweise einen Vertrauensvorschuss
- Sie haben eine erhöhte Sensibilität und Empathie gegenüber Betroffenen aufgrund von eigener Erfahrung
- Sie können eine authentische Wirkung auf Betroffene haben
Genesungsbegleitung ist eine Leistung, die in Form des Persönlichen Budgets der Variante 2 über die Eingliederungshilfe (§ 57 SGB XII) abgerechnet werden kann. Dazu könnt Ihr einen Antrag beim Landeswohlfahrtsverbands (LWV) stellen. Manche GenesungsbegleiterInnen unterstützen Euch bei der Beantragung dieser Leistung. Alternativ besteht auch die Möglichkeit der Selbstzahlung. Der Stundensatz für Selbstzahler liegt bei ca. 45,-€. Hinzukommen können Fahrt- und Übernachtungskosten.
Für Organisationen, die GenesungsbegleiterInnen beschäftigen wollen, ist es häufig schwierig diese in eine Gehaltsgruppe einzustufen. Da GenesungsbegleiterInnen die Anerkennung als Fachkraft fehlt, werden sie häufig wie Hilfskräfte bezahlt. Da GenesungsbegleiterInnen jedoch oft ähnliche Tätigkeiten wie Sozialarbeiter oder Pfleger ausüben, sollte man sich überlegen, ob man nicht eine Qualifikation aus einem früheren Beruf der GenesungsbegleiterInnen für eine Eingruppierung berücksichtigen kann.
Genesungsbegleitung kann in folgenden Situationen in Anspruch genommen werden:
- in aktuellen persönlichen Krisensituationen
- beim Eindruck einer bevorstehenden Krise
- in der Orientierungsphase nach einem Psychiatrieaufenthalt
- bei chronischen psychischen Erkrankungen
Konkrete Tätigkeiten von Genesungsbegleitern können zum Beispiel sein:
- Begleitung zu Ärzten und Kliniken
- Unterstützung beim allgemeinen Schriftverkehr, Behördengängen, Formularen und in finanziellen Fragen
- Begleitung zu Freizeitaktivitäten
- Erarbeitung neuer Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsperspektiven
- Entwicklung von Genesungs-, Frühwarn- und Krisenplänen
- Gespräche über allgemeine Lebensfragen
- Entlastende Gespräche
- Fürsprache und Vermittlung bei Konflikten mit Angehörigen, Ärzten oder Ämtern
- Unterstützung bei der Gestaltung und Erhaltung sozialer Beziehungen
- Hausbesuche, Essenszubereitung, Aufräumen, Säubern und Einrichten des Wohnraums
- Begleitung und Erledigung von Einkäufen
- Hilfe beim Umgang mit dem Computer
Eine guten ersten Einblick in Studien zur Wirksamkeit von Genesungsbegleitern in deutscher Sprache bietet das Heft 4/2015 der Zeitschrift „Nervenheilkunde“. Die dort aufgeführten Artikel und Aufsätze sind frei zugänglich.
Zu einer Sammlung englischsprachiger Literatur gelangt Ihr über den Link: https://www.researchgate.net/directory/publications. Unter dem Suchbegriff „peer support“ oder „peer support worker“ findet Ihr auch hier entsprechende Studien, auf welche Ihr überwiegend frei zugreifen könnt.
Außerdem haben wir hier einige Literaturhinweise für Euch zusammengestellt.
Übersichtsstudien, welche die bisherigen Forschungsergebnisse aus Pilotstudien zur Wirksamkeit von Genesungsbegleitung (Peer Support) zusammenfassend bewerten, kommen häufig zu dem Schluss, dass der Einsatz von EX-IN’lern in Kliniken bei den Klienten zu mehr Hoffnung auf Genesung, zu einer stärkeren Erfüllung ihrer Bedürfnisse, zu einer Restabilisierung (Empowerment), zur Abnahme von Notaufnahmen und letztlich häufiger zu einer Genesung (Recovery) führt. Die Behandlungserfolge sind dabei am stärksten, wenn Genesungsbegleitung zusätzlich zum klassischen Angebot eingesetzt wird und nicht so stark, wenn Genesungsbegleiter traditionelle Rollen von Fachleuten übernehmen.
Um allgemeine Empfehlungen für den Einsatz von geschulten Betroffenen anhand dessen Wirksamkeit auszusprechen, sollte der bisher deutlich erkennbare Vorteil dieses Einsatzes mit umfangreicheren, statistisch aussagekräftigen Untersuchungen und verbesserter Methodik (Blind- und Randomisierungsstudien) noch weiter erforscht werden. Die Ergebnisse könnt Ihr zum Beispiel auch im Aufsatz von Mahlke et al. 2015 (PDF zum Download) nachlesen.
Eine gute Übersicht über den Einsatz von Genesungsbegleitern bietet auch das Heft 4/2015 der Zeitschrift „Nervenheilkunde“.
In Umfragen mit den Fachleuten berichten diese, dass sie Genesungsbegleiter als hilfreich, bereichernd, entlastend und vertrauensvoll empfinden. Die Genesungsbegleiter vermitteln dem Fachpersonal die Perspektive der Betroffenen, was von den Fachleuten als Vorteil und Erweiterung ihrer bisherigen Sichtweisen wahrgenommen wird. Die Profis sehen darin eine Möglichkeit, das Bedürfnis der Klienten nach Autonomie stärker zu berücksichtigen. Die Fachleute berichten außerdem, dass Genesungsbegleiter schneller einen Zugang zu den Klienten finden, eine Vorbildrolle für diese einnehmen und eine erfolgreiche seelische Unterstützung sind. Genesungsbegleiter wirken zudem deeskalierend bei Konflikten mit dem Fachpersonal und senken das Risiko für Zwangsmaßnahmen. Einen hauptsächlichen Unterschied zwischen Genesungsbegleitung und der Arbeit von Pflegern, Ärzten oder Sozialarbeitern machen die Fachleute darin, dass Genesungsbegleiter ihr Wissen aus eigenen praktischen Erfahrungen und nicht aus der Theorie beziehen. Die Ergebnisse zu den Umfragen könnt Ihr zum Beispiel im Aufsatz von Mahler et al. 2015 (PDF zum Download) nachlesen.
Eine gute Übersicht über den Einsatz von Genesungsbegleitern bietet auch das Heft 4/2015 der Zeitschrift „Nervenheilkunde“.
Klienten berichten von positiven Erfahrungen, etwa dass Genesungsbegleiter ihnen dabei helfen ihre soziale Isoliertheit zu überwinden und sich nicht alleine zu fühlen. Weiterhin fühlen sich die Klienten häufig emotional von ihnen unterstützt. Sie fühlen sich verstanden und wertgeschätzt, weil ihnen Genesungsbegleiter Anerkennung vermitteln, was ihr Selbstwertgefühl stärkt. Viele Klienten berichten, dass Genesungsbegleiter in ihnen das Gefühl auslösen, sich normal und nicht abgelehnt zu fühlen. Da Genesungsbegleiter von ähnlichen Erfahrungen erzählen, geben sie den Klienten Hoffnung auf Genesung. Die Klienten fühlen sich ermutigt nicht aufzugeben, weil Genesungsbegleiter ihnen zeigen, dass ein Leben mit einer Diagnose möglich ist. Die selbst erlebten Erfahrungen machen Vorschläge seitens der Genesungsbegleiter zudem glaubhaft. Einige Klienten berichten von lehrreichen Hinweisen, wie sie sich selbst helfen können, was sie für ihr tägliches Wohlbefinden tun und wie sie ihre Frühwarnzeichen und Auslöser erkennen können. Andere Klienten empfinden auch Ratschläge, wie sie gegenüber den Fachleuten für sich selbst eintreten können als hilfreich. Die Ergebnisse zu den Erfahrungen der Klienten könnt Ihr zum Beispiel in den Artikeln von Cook et al. 2010 und Gidugu et al. 2015 nachlesen.
Eine gute Übersicht über den Einsatz von Genesungsbegleitern bietet auch das Heft 4/2015 der Zeitschrift „Nervenheilkunde“.